TOSHIRO MIFUNE (01.04.1920-24.12.1997)

"The way of the samurai is death." (Yamamoto)

Als Toshiro Mifune 1946 bei einem Casting durchzufallen drohte, entdeckte ihn Akira Kurosawa fuer den Film. In seiner Autobiografie schreibt er spaeter, Mifune habe auf ihn gewirkt "erschreckend wie das Beobachten eines verwundeten oder gefangenen wilden Tieres, das sich befreien will." Kuroswawa sagte nach Mifunes Tod, dass all seine Filme ohne Mifune bedeutungslos seien. Er haette nicht geglaubt, dass Mifune vor ihm sterben wuerde. "Die hoechste Liebe ist die geheime" heisst es im Hagakure, der Samurai-Bibel von Yamamoto (1659-1719). Wenn Kurosawa, der selbst aus einem Samurai-Geschlecht stammt und in Mifune das wirksamste Potential zur Darstellung eines japanischen Kriegers erkannte, diesen Mann auch nach ihrer Auseinandersetzung im Jahre 1965 noch so liebte, ueber 30 Jahre lang, in denen sie keinen Film mehr drehten, dann muessen wir befuerchten, dass der alte Akira, der 1971 schon einmal einen Selbstmordversuch unternahm, demnaechst an gebrochenem Herzen sterben wird. Vielleicht denkt er an das, was man ueber SANJURO sagte: "Das ist seine Art zu leben. Er ist einer der Menschen, die sich nicht einschmeicheln."

Ich habe mir in der Nacht noch einmal drei Filme der beiden angesehen. SANJURO, in dem Mifune als Titelheld es mit Horden von Feinden aufnimmt und in grinsender Gelassenheit jede Gefahr uebersteht. Wenn er kaempft, wird sein Blick wild. Er metzelt alle nieder. Doch die Hagakure-Regel, nach der ein Schwert, dass zu lange nicht benutzt wird, rostet, wendet Sanjuro am Ende zu einem groesseren Pazifismus: "Die wirklich guten Schwerter werden in ihren Scheiden bewahrt." In seiner pragmatischen Bescheidenheit fordert er: "Ich brauche keinen Dank, ich will Geld. Ich habe lange Wasser getrunken und will nun etwas Sake." Anders in NACHTASYL, wo die eigentliche Hauptfigur ein alter Weiser ist, der undurchschaubar wie ein Zen-Meister und stets freundlich versucht, Menschen zur Selbstfindung zu verhelfen, eine Selbsttoetung aber dennoch nicht verhindern kann. Mifune verschwindet plötzlich aus dem Film als stehlender und verliebter Frauenheld, nachdem er seine Gefuehle pathetisch geoffenbart hatte und in eine Intrige geraten war. Ein Gauner mit weichen Zuegen, im Gesicht genuegte eine Rasur, um sie hervortreten zu lassen. RASHOMON dagegen vereinigt das koboldhafte Beinestrampeln mit furchtloser Einstellung zum Kampf, ein einziger closeup auf Mifunes baertiges Gesicht als Bandit Tajomaru macht seine Faehigkeit deutlich, einen Entschluss konsequent zu verwirklichen. Es wurde immer wieder behauptet, dieser Film liesse offen, wer denn eigentlich die Wahrheit spreche beim Verhoer vor dem unsichtbaren Gericht, ein Zeuge, die vergewaltigte Frau, der Geist ihres ermordeten Mannes oder Tajomaru als angeklagter Moerder. Doch nur in dessen Aussagen liegt von Anfang an eine schonungslose Selbstbezichtigung, er gesteht den Mord, sieht aber keine Schuld darin. Er hat getoetet ohne Hass, aus Notwendigkeit. Um der Frau und dem anderen eine letzte Scham zu ersparen. If you must fail, fail splendidly. Das gilt auch fuer alle, die in Hollywood-Remakes (THE OUTRAGE, THE SEVEN SAMURAI) versuchten, die gigantische Leinwandpraesenz von Mifune zu kopieren. Nicht einmal Steven Seagal, der in Japan zum Aikido-Meister wurde und spirituell unlaengst zu einem Tulku, der Wiedergeburt eines tibetischen Heiligen, erklaert wurde, gelingt heute eine solche Identifikation mit dem Wesen des Kaempfers, der ein spirituell durchtraenkter Krieger ist. Mifune praktizierte selbst "Yabusame", das Bogenschiessen auf dem Pferd. 1984 waehlte ihn ein Magazin zum Mann, dessen Gesicht am besten japanischen Stolz, Kraft und Maennlichkeit repraesentierten. 1967 sollte er fuer einen Film weinen und meinte, er koenne nicht, er sei ja nicht traurig. Wenn er wuetend war, dann aber sehr wuetend. Unuebertreffbar. An der Grenze menschlicher Wut. Eine Theorie dazu hatte er nicht. 16 Filme machte er mit Kurosawa, etwa 140 insgesamt. Ab 1960 produzierte der ehemalige Fotograf, der in China geboren und nach dem 2. Weltkrieg reportiert worden war, auch selbst. Er blieb immer dem japanischen Geist treu. Galt als sehr bescheiden. Nur bei Dreharbeiten bestand er auf einem langen, privaten Bus. Er musste sich zurueckziehen koennen. Nun hat er es fuer immer getan. An Heilig Abend versagten seine Organe.

01.01.1998

Guido Keller

DIE FUENF KAMPFEIGENSCHAFTEN EINES BUSHI (KRIEGERS)

1) Shidzuka-naru hayashi no gotoshi: ruhig wie der Wald
2) Ugoka-zaru yama no gotoshi: unbeweglich wie der Berg
3) Samui kiri no gotaku: kalt wie der Nebel
4) Toki koto kaze no gotoshi: im Entschluss schnell wie der Wind
5) Okashi kasumeru hi no gotoku: im Angriff und im Sturm wie das Feuer

Rashomon 1950

DIE SCHWERTHIEBE EINES SAMURAI

1) Ryo kuruma (Doppelrad): Hieb durch die Huefte
2) Tai-tai (sehr gross): Hieb durch Achseln und Oberkoerper
3) Karigane (Wildgans): Hieb durch den Oberkoerper
4) Chiwari (Brustspalter): Hieb durch die Brust
5) O-kesa (Priestergewand): Hieb quer durch den Oberkoerper, von der rechten Schulter zur linken Huefte
6) Kami-tatewari (Spalthieb von oben): Hieb durch den Kopf
7) Wakige (Achselhoehle): Hieb durch die Brust, in Hoehe der Achselhoehle
8) Kurumasike (Ende des Rades): Hieb durch den Bauch
9) Suritsuke (Einreibung): Hieb durch den Oberkoerper, unterhalb der Brust
10)Shino-tatewari (Spalthieb von unten): Hieb von unten, durch die Geschlechtsteile
11)San-no-do (dritter Koerperschlag): Hieb durch den Bauch
12) Ni-no-do (zweiter Koerperschlag): Hieb durch die obere Bauchhaelfte
13) Ichi-no-do (erster Koerperschlag): Hieb durch den Bauch, in der Magengegend
14) Ko-kesa (kleines Priestergewand): Abschlagen des linken Armes, von der Schulter zur Achselhoehle
15) Tabigata (Sockenrand): Abhauen des Fusses
16) Sodesuri (Aermelschnitt): Abhauen der Hand
17) Kaishaku (Kopfabschlagen): bei Feinden und als Freundschaftsdienst beim Seppuku

(aus: Kuno Mauer, DIE SAMURAI, Econ Verlag, Duesseldorf 1981)

The Challenge 1983

Toshiro Mifune

Selbstmord