Lantana
Regie: Ray Lawrence
Start: 7. November 2002
In der Ai Emdibih ist über LANTANA zu lesen, dass ein Ermittler im
Fall einer verschwundenen Psychologin - äh, ermittelt, und die
Kurzzeile eines Nutzerkommentars bezeichnet den Film als Charakterstudie.
Diese Vorabrecherche aus Gründen der Entscheidungsfindung, ob es sich
lohnt, die Strapazen der Anreise zur Pressevorführung auf
sich zu nehmen, versetzte mich in die Lage, am Abend vor
der Pressevorführung den Fragezeichen in der Gesichtern der
meisten Besucher der Hamburger Sneak- Vorstellung, die ich ausnahmsweise
besuchte, einen Biss voraus zu sein. "Das scheint mir aber eher kein
Sneak- Film zu sein", lautete mein wissenschaftlicher Kommentar, den
ich nicht laut, aber von mir gab.
Und uneinsichtig, wie ich bin, diese negative Grundeinstellung auch bis
zum Ende nicht mehr revidierte.
Eine Revision ist es denn auch, welcher man das Ende - vor Allem -
unterziehen sollte, auch wenn es das unerbrochene Highlight der gesamten
Sneak- Vorstellung darstellte. Es kam und kam nämlich nicht. Das Ende.
Zum Ende, meine ich. Eine besondere Gemeinheit, da sich insgeheim schon
jeder darauf gefreut hatte, erlöst zu applaudieren. Und so applaudierten
wir denn. Und wir applaudierten noch einmal. Und wir applaudierten noch
einmal. Und dann verließ eine fehlgeleitete Minderheit doch
tatsächlich den Saal, obwohl der vierte Applaus noch gar nicht
verklungen war.
Ich, by the way, hatte mich schon Unlängen früher entschlossen,
die Dialoge sich selbst zu überlassen und mich sattdessen auf die Suche
nach Regiefehlern zu übergeben. Doch bin ich kein guter Spürhund
und LANTANA bei Weitem keine Billigproduktion, so dass meine Versuche, von
Einstellung zu Einstellung sich ändernde Details zu ergattern,
kläglich scheiterten. Im Gegenteil hatte ich das Gefühl, dass
selbst die kleinste Haarsträhne mit akribischer Perfektion in ihrer
Position verblieb, und so glitt mein Blick mit der Zeit immer mehr und
mehr umher.
So bemerkte ich zum Beispiel, dass die Wanddekoration des Kinosaals auf
der rechten Seite zwei metallene Säulen mehr aufwies (und wohl auch
immer noch tut) als auf der linken Seite. Oberhalb der Leinwand befinden
sich zehn in die Decke integrierte Lampen, die Verkleidung der siebten von
links wirkt etwas verblasster. Das Kino hat 600 Sitze, und die Vorstellung
war ausverkauft, auch wenn vier Sitze dennoch leer blieben. 32 Kinobesucher
behielten ihre Jacke während der gesamten Vorstellung an, 94 kamen ohne
Jacke, 146 trugen Poloshirts verschiedener Art und nur 29 der 264 Frauen
einen Rock. Drei Besucher waren im Besitz einer Zahnspange, eine der beiden
weiblichen Trägerinnnen im Besitz einer Dauerkarte. Der Fussboden wirkt
im hinteren Bereich abgelaufener und statistisch betrachtet wird hier eher
Bier verschüttet, Cola im Frontbereich. Durch Hochrechnung der
Krümel lässt sich auf eine gleichflächige Popcorn- Verteilung
schließen, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Tendenz,
nicht Verdaubares auszuspucken, ab Reihe 19 sprunghaft zunimmt. 0.5 Prozent
der Sitze - also drei - weisen Spuren von ausgedrückten Zigaretten
auf, aber älteren Datums, die Lehne der Reihe acht zwischen Sitz 13 und
14 schmückt ein ins Holz geritztes Herz mit einem e darin, das
50- Cent- Stück unter Sitz fünf der Reihe 24 scheint von dem
dunkelblonden Mittdreißiger auf Sitz sechs eine Reihe dahinter zu
stammen, aber dem Karataufdruck seiner Halskette nach zu urteilen kann er
den Verlust verkraften. Der noch feuchte Fleck auf Sitz 18 in Reihe 31
erweckt den unguten Verdacht, die Szene, in der die Psychologin Valerie
Somers (Barbara Hershey) mit dem Auto einen Seitenpfeiler rammt, könnte
doch etwas zu action- geladen sein. Die Spülung des mittleren der vier
Urinale auf der Herrentoilette ist defekt und es duftet leicht anrüchig,
das Papier zum Hände abtrocknen ist 0.3 Millimeter dick. Auf der
Frauentoilette befinden sich drei Sitztoiletten und es scheint, die Werbung
für diese ultradünnen Damenbinden bleibt nicht gänzlich
unbeachtet. Die ASU des blauen Golf auf der Straßenseite gegenüber
dem Haupteingang ist seit zwei Monaten abgelaufen.
Zur Pressevorführung bin ich, falls das nun jemanden noch interessiert,
übrigens nicht mehr. Vielleicht sollte man das Ende einfach 121 Minuten
nach vorne verlegen, das schont die Klatschmuskeln. Oder mit
französischen Untertiteln versehen und ab dafür in die
Programmkinos.
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