KANAK ATTACK
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Co-Drehbuch & Regie: Lars Becker
Start: 16. November 2000

Jetzt wird KILLER mich hassen, hat er mir doch extra eine Kritik geschickt und nun veröffentliche ich sie nicht. Die Verlockung aber, es möge mir tatsächlich gelingen, über jeden Film dieser Woche zu schreiben, den ich gesehen habe, womit nur THE CROSSING, LOST SONS und die Wiederaufführung von - äh - DAS SINGENDE, KLINGENDE BÄUMCHEN außen vor sind, war letztendlich einfach zu groß.

Ich versuche KILLER einmal durch Übernahme seiner Einleitung zu besänftigen, bin mir der Wirkung aber nicht sicher.
"Heute habe ich mir fuer 5 Mark Suessigkeiten am Kiosk geholt. 50 Teile. So ein Gummizeug, ich glaube von HARIBO. Je 10 Teile Haie (blau-weiss), Pfirsiche (orange-rot), Kirschen (rot-gruen), Sauerkirschen (rot-gruen) und Schluempfe (blau-weiss oder mit roter Muetze). Die Schluempfe schmecken beschissen. Immerhin ist das ganze nicht teurer als ein BIG MAC und liegt schwerer im Magen. Die Schluempfe aber sind widerlich. Und widerlich sind auch" - hier übernehme ich - Typen wie Ertan (Luk Piyes) und seine Kumpels.

nachher

"Soll ich den Film nun etwa als gelungen bezeichnen, weil er mich ausländerfeindlich werden lässt?", war meine Frage nach der Vorstellung. Ertan Ongun, Kemal Özalan (David Scheller) und Mehdi Jamal (Tyron Ricketts) sind genau die Art von Typen, die im Zug mit brennender Kippe auf dem Weg ins Raucherabteil durch alle Nichtraucherabteile laufen oder sich diese Mühe erst gar nicht machen und nur mit dummen Sprüchen wie "Die is' ja bald aus!" aufwarten, Typen, die einen nachts auf dem Darmstädter Luisenplatz anlabern, "Brauch Schwas?", und dann blöd anmachen, wenn man die Frage nach zweimaligem Nachfragen verstanden und mit Nein beantwortet hat, "Was wilsch dann, hau ab!". Das müssen nicht gezwungenermaßen Ausländer sein, aber in KANAK ATTACK, da sind sie es. Und das schürt Vorurteile, bei denen besonders die Türken schlecht wegkommen. (Zwar sind nicht alle Charaktere Türken, doch selbst das wird nur sehr undeutlich am Rande klar).

Dreipack
Ertan Ongun (Luk Piyes, Mitte) und seine Kumpels Mehdi Jamal (Tyron Ricketts, rechts) und Kemal Özalan (David Scheller, links). Auf dem Bild im Concorde- Pressebereich genau entgegengesetzt, die haben das Dia nämlich falsch rum eingescannt, hehe.

"Wir sind die Kanaken, vor denen ihr Deutschen immer gewarnt habt. Jetzt gibt es uns, ganz eurem Bild und euren Ängsten entsprechend.", soll Ertan laut Presseheft einmal gesagt haben, doch den einen Satz scheine ich nicht wahrgenommen zu haben. Vielleicht ist ein Satz auch ein bisschen wenig, um sich von Stammtisch- Vorurteilen abzuheben. Eins macht er aber klar, auf der einen Seite haben wir ein paar dumme Proleten, die bei ihren kriminellen Machenschaften stellenweise so blöde sind, ihre Gesichtsmaske vor Zeugen abzunehmen oder erst gar keine aufzusetzen, auf der anderen Seite werden ihnen philosophische Phrasen in den Mund gelegt, die - typisch deutscher Film - so aufgesetzt klingen, als - KILLER hat es zuerst geschrieben, also zitiere ich - "als wuerde er aus einem Buch lesen, das er nicht versteht."

McDoof

Ganz nebenbei wird in solchen Sequenzen von den Schauspielern auch schnell der ansonsten verwendete Akzent vergessen und ein des Lebens überdrüssiger Verwandter in höchstem Hochdeutsch und Nachrichtensprecher- Qualität beschwafelt, wie sich ansonsten nicht mal Professoren zu unterhalten pflegen, was natürlich den ungeheuren Familienzusammenhalt aufzeigen soll, der besonders in türkischen Familien herrscht. Solche Dinge verleiten manch anderen zu euphorischen Lobenshymnen dieser "gelungenen Milieu- Studie". Ich denke, die meisten von denen kennen die Szene ebenso wenig wie ich. Eine türkische Kollegin indessen, die es ja besser wissen müsste, war auch wenig angetan und fragte mit Recht, "Warum gerade die Türken?"

Kaffeeklatsch
Sandra Novak (Nadeshda Brennicke) und Yonca Abdullah (Oezlem Cetin):
"Wir brauchen zwar keinen Zuhälter, aber wir brauchen einen, der auf uns aufpasst. Und jetzt, wo Farouk tot ist, haben wir uns gedacht, kannst du das doch machen."
Jetzt versteh' ich endlich, warum KILLER so gern in'n Puff geht.
Wenn die Nutten dort alle so aussehen wie Fotomodelle...

Ich mag diesem Film nicht. Mir gefällt es nicht, solche Gestalten, Dealer, Diebe und Zuhälter, ganz gleich welcher Herkunft, auf einer solch realistisch anmutend wollenden Basis zu Filmhelden erklärt zu bekommen. Und auch ein Antiheld ist ein Held.

Unglaublich, daß der Film nach Vorlage eines Buches von einem Türken entstanden sein soll (Abschaum von Feridun Zaimoglu). Die schon erwähnte, türkische Kollegin erzählte in diesem Zusammenhang noch etwas von Renan Demirkan, der deutschen Vorzeigetürkin und wie leicht es Ausländer in Deutschland doch hätten, Aufmerksamkeit und Berühmtheit zu erlangen, mit nur ein bisschen Freundlichkeit den richtigen Personen im Medien- Business gegenüber.

KO

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