Hana (Blume)-Bi (Feuer): Symbole fuer Leben und Tod

HANA-BI

"A pimp must look after his girl or work for himself." So klaert der VIOLENT COP einen Zuhaelter auf, der sein Pferdchen schlecht behandelt. Takeshi Kitano spielt den Cop in seinem eigenen Film und fuehrt sich damit ein, dass er einen Jungen verpruegelt, der zuvor auf einen zahnlosen Penner losgegangen ist. Mit roher Gewalt wird auch weiter auf Probleme reagiert, doch wo sie die Filme von John Woo wie die Choreographie eines Munitions-Epos durchzieht, setzt Kitano unvermittelt Akzente, die nicht selten des Zuschauers Bauchmuskeln schütteln ob ihrer gnadenlosen Direktheit. Dabei sind Kitanos Filme auch in ihren ruhigen Momenten durchaus komisch-zynisch. In einer Bar belauscht man ein Gespraech: "We sell guns, mail order". * Der Cop leiht sich Geld von Freunden, laesst prinzipiell sie bezahlen und antwortet auf die Frage: "How did you become a cop?" mit "Through friends." Als ein Gangster drei Polizisten zusammentritt, kickt Kitano seine Kollegen gleich nochmals wegen ihrer Unfaehigkeit. Genauso beilaeufig und ueberraschend, wie Unbeteiligte dran glauben muessen, sehen wir Kitano nach seinem Rausschmiss bei der Polizei durch Kunstausstellungen schlendern und Baseball spielen, um sich die Zeit zu vertreiben, und als waere es geradezu egal, ob er das eine oder das andere tut. Wer wuerde schon erwarten, eine Frau, die eben noch vergewaltigt wurde, "Tipp-Kick" spielen zu sehen, oder - wie in SONATINE - Mafiosi (und hier ist Kitano einer von ihnen) beim Imitieren eines Geishatanzes oder beim Zurechtschneiden von Papierfiguren, mit denen dann ein kindischer Boxkampf aufgefuehrt wird?

It's cool, man!

Wie bedeutend es ist, diese Filme auf einer grossen Leinwand zu zeigen, die auf Video bereits zum Kult wurden. Die Mafiosi ziehen sich auf eine Insel zurück. Die bunten Hemden der Gangster leuchten dabei stark wie der blaue Himmel, unter dem sie spaeter eine herrliche Strand-Parodie auf das Sumo-Ringen veranstalten. Machospiele wie das Herabschießen von Dosen auf Menschenhaeuptern oder russisches Roulette wechseln mit ausgelassenem, erfolglosem Ballern auf Frisbeescheiben und dem Bauen von Fallgruben, in die dann naechtens reihenweise Gangsterkumpanen purzeln. Auf einen Satz, der jedem toughen Filmganoven die Brust anschwellen lassen muesste: "It's great not to be afraid of shooting other people" antwortet Kitanos Figur einer Schoenen lapidar: "It's great not to be afraid of showing your tits". Lakonie wird neu definiert, wenn Kitano, nachdem ein Killer einige Weggefaehrten dahingerafft hat, in der naechsten Szene einfach alleine weiter Frisbee spielt. Und wenn, nach der Sprengung ihres Wagens, einer stoisch bemerkt: "Now we must walk back". Die Fahrstuhlballerei, ein Hoehepunkt von SONATINE, ist ein weiteres Beispiel von Kitanos Sinn fuer Ueberraschungen, Tempiwechsel und Schnittkunst. Erst bei mehrmaligem Hinsehen erschliesst sich die ganze Dramatik dieser kurzen Schiesserei. Kitanos Filme sind wie Renga, wie japanische Kettengedichte, die aus vielen kleinen Einheiten bestehen, die einen Bezug zueinander haben, und aus einigen herausragenden Zeilen, die bei Kitano aber nicht einfach voller Schoenheit erscheinen, sondern wie kurze, knappe Gewalt-Gedichte. Unwiderstehlich, präzise, treffend, nachhallend. Bleihaltige Baller-Haikus.

Dass Kitanos Figuren gerne Eis essen, wissen wir bereits, wenn er in BOILING POINT erneut als Gangster daherkommt, der seine Gegner mit dumpfen Kopfnuessen ausknockt. Wieder begegnen uns Narren und Hypochonder, wie Kitano sie liebt, waehrend er für die wirklich Boesen nur Kugeln uebrig hat. Ein Angler spricht ein Paerchen im Zug an: "Sweethearts, you've screwed already". Ein Pachinko-Spieler beschwert sich, daß er nichts gewinnt, droht, reisst ein Mikro an sich und macht lauthals den Spielsalon schlecht. Kitano selbst reagiert in einer Kneipe auf die Frage eines Gastes: "Why not go to work?", indem er ihm eine Flasche auf dem Kopf zertruemmert. Es folgt ein Kampf, der aus verschiedenen Blickwinkeln in jeweils einer Einstellung wiederholt wird.

So eine Sonnenbrille hab ich jetzt auch

Einmal fordert Kitano einen Jungen auf, Kitanos Filmfreundin zu bumsen. Waehrend der es tut, fickt Kitano den Jungen dann selbst, und verlangt schließlich als Zeichen von dessen Reue einen Finger von ihm, weil der Junge ja der Aufforderung haette widerstehen koennen. Frauen sind in Kitanos Filmen nur Spielbaelle der Männer, nach dem Bumsen werden sie auch schon mal einfach aus dem Auto geworfen und irgendwo in der Pampa stehen gelassen. Schoen sind sie dennoch, wie die schwarze Frau im weißen Kleid, und wie der rote Ball, mit dem an einem Strand in Zeitlupe Baseball gespielt wird als waeren wir in einem Werbefilm. Und immer wieder koennen wir befreit lachen, wenn etwa ein in einem Blumenstrauss verstecktes Maschinengewehr plötzlich losgeht. Gibt es einen Menschen, der cooler ist als Schwarze, dann ist es Takeshi "Beat" Kitano.

Sein Image des harten und direkten Draufgaengers, dem es an intellektueller Reflexionsfaehigkeit zu mangeln scheint, belebt Kitano auch in GONIN von Takashi Ishii, der den Abschluß eines Fantasy-Filmfests in Frankfurt markierte. Werden in anderen Filmen Killer als gewiefte und behende Figuren entwickelt, kommt "Beat" Takeshi gewohnt dumpf daher, wortkarg, zynisch - ohne sich dessen bewusst zu sein-, brutal ( die LEONsche Moral von "keine Frauen und Kinder" ist ihm fremd). Wenn "Beat" schießt, ballert er so lange, bis sein Gegenueber erledigt ist, und steht dabei unverrueckbar und ausdruckslos wie ein Baum. Wenn es ihn am Ende selbst erwischt und er sich zum Sterben niedersetzen muss, offenbart er mit einem Satz die trockene Poesie seiner Seele: "Ich bin muede". "Beat" Takeshi kaempft wie ein Samurai und endet wie ein Zen-Meister.

Das Ende

So auch in HANA-BI. Das Ende hat er seiner Filmgattin nicht verraten, und als sie es dann drehten, brach sie in Traenen aus. Es ist wichtig, den Film im Original (mit Untertiteln) zu sehen, denn Kitano ist ein Nachfahre Chaplins, ein Stummfilmkomiker, der minutenlang Gefuehle ueber Bilder, Gesichtsregungen und Joe Hisaishis wundervolle, klassisch orientierte Musik naehrt, die in der Synchro doch tatsaechlich durch Worte verkleinert werden, die im Original gar nicht vorkommen. "Hana-mi" heisst in Japan das Picknick, das zur Kirschbluetenzeit von Einheimischen so gerne veranstaltet wird. In HANA-BI sind die malerischen Leistungen Kitanos verewigt, Blumen und Blueten, mit denen er die Zeit seiner koerperlichen Angeschlagenheit infolge eines schweren Motorradunfalls ueberbrueckte. Damals war ganz Japan betroffen. Denn Kitano ist ein Star, tritt woechentlich in etlichen TV-Shows auf. Als ich in die japanische Videothek in Frankfurt gehe, um nach Fernsehproduktionen mit ihm zu fragen, werde ich nicht recht verstanden. Mein Gegenueber spricht weder Englisch noch Deutsch. Bei Beat Takeshi klingelt es dann. Sie deutet auf einige Videohuellen und reicht sie mir. Ich sage, nein, die Filme kenne ich schon, "TV, you know." Sie laechelt verlegen. Da entdecke ich in der Ecke einen kleinen Fernseher. Darin laeuft eine Rateshow. Und da - bingo! - ist der Moderator. Es ist Beat Takeshi. Ich juble. Die Japanerin sagt "ooh". Ich erklaere ihr - brumm, brumm, accident - und deute ein Gesichtszucken an. Das ist Kitano geblieben infolge des Unfalls, und in HANA-BI wirkt es wie ein nervoeser Zug. Die Japanerin geht zum Fernseher und legt Takeshi zaertlich ihren Zeigefinger auf die betroffene Gesichtshaelfte. Dann wandert ihr Blick in die Ferne. Ich lasse sie allein.

KILLER

* (Die Filme sind im japanischen Original mit englischen Untertiteln über Bandasi/Shochiku - Manga auf Video erschienen, deshalb zitiere ich auf englisch).

Hands up!

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