Flying Scotsman

Allein zum Ziel
(The Flying Scotsman)

Regie: Douglas Mackinnon
Start: 5. Juli 2007

In letzter Zeit habe ich mich ja darauf spezialisiert, vermehrt Previews zu besuchen, die von diversen Zeitschriften angeboten werden, da ich nun Mal zu den Presseterminen zwangsweise einer geregelten Arbeit nachgehe, so lange mir keiner ein gleichwertiges Gehalt zahlt - was mir bisher immer mit der Begründung, keine Gehälter unterhalb der Armutsgrenze auszahlen zu wollen, verwehrt wurde.

Meine Karte zu THE FLYING SCOTSMAN erhaschte ich bei einem Gewinnspiel der Men's Health, wobei - wie sich hinterher heraus stellte, auch die Bravo Sport mit auf den Zug der Verlosung aufgesprungen war. Zuerst mitgemacht, dann gedacht, stellte sich mir bei näherer Betrachtung des ebengleichen Bildes, welches jenes ich auch als Titelbild gewählt habe - und zwar nur, weil ich hier darauf referenzieren wollte, da es das von den meisten verwendete Bild sein dürfte, und daher von mir eigentlich gemieden worden wäre (ganz abgesehen davon, dass der Verleih nur vier Bilder zur Verfügung stellt, was die Arbeit einer jeden zehnköpfigen Bildredaktion vor eine harte Probe stellen dürfte) -, und der Gedankenverbindung ein Film über einen Radsportler kein unmittelbares Glücksgefühl ein, als ich in einer tief depressiven Phase von der freudigen Gewinnmitteilung eingeholt wurde. Kurz erwägte ich, mir einen Strick zu kaufen und mit diesem einen schönen (meinen letzten) Abend zu verbringen, anstatt die Preview zu besuchen. Doch da ich diese Zeilen nicht aus dem Jenseits schreibe, und damit der realen Hauptfigur Graeme Obree, gespielt von Jonny Lee Miller, bekannt vor Allem aus TRAINSPOTTING, eins gemein habe, kann der aufmerksame Leser schon vermuten, letztendlich war ich doch im Film.


Graeme Obree (Jonny Lee Miller) ist traurig über das geringe Interesse am Film.
Und damit ich hatte noch etwas gemein und das mit etwa fünf Prozent der weiteren Freikarten-Gewinner. Anders herum ausgedrückt: 95% der Freikarten blieben von ihren neuen Eigentümern unabgeholt. Die Kassiererin bestätigte mir weiterhin - schließlich musste ich meinem journalistischen Auftrag gerecht werden -, ja, es wurde auch eine reguläre Karte für die Vorstellung verkauft.

Werner, aus den gleichen Motiven wie ich fast und die 95% ganz vielleicht ebenfalls nicht in der Pressevorführung anwesend gewesen, und obwohl sich der Satz so liest, als würde ihm ein Komma fehlen, ich bin nach mehrmaligem Lesen weiterhin der Meinung, dem ist nicht so, konnte mir im Vorfeld aber immerhin mitteilen, der Film sei von den anwesenden Kollegen doch eher positiv bewertet worden.

Und dieser Meinung schließe ich mich ohne Einschränkung an. Ob der kleine Graeme Obree, angepisst vom Leben und den Mitschülern, sein Leben ebenso unterhaltsam gefunden haben mag, ob es im richtigen Leben gar weniger unterhaltsam war, das vermag ich - zumindest letzteres - kaum zu beurteilen. Auf jeden Fall basieren viele der filmischen Stationen auf Fakten aus Graeme Obrees wahrem Dasein. Seinen ersten Strick mag sich unser Filmheld vielleicht selbst gekauft haben, sein erstes Fahrrad bekam er allerdings zu Weihnachten, und vom Ehrgeiz und den Mitschülern getrieben radelte er von nun an wie ein Berserker vor sich und allen lokalen Radsport-Profis dahin, so dass er es als Erwachsener immerhin schon zu einer gewissen lokalen Bekanntheit, einer Frau, einem pleite gegangenen Fahrrad-Shop und einem undankbaren Fahrrad-Kurier-Job nebst neuem besten Kumpel gebracht hat. Doch so richtig glücklich will Graeme einfach nicht werden.

Und um das nun nicht in eine verhasste Inhaltsangabe ausarten zu lassen und es abzukürzen, mit Hilfe des gottesfürchtigen Baxter (Brian Cox) und der Waschmaschine seiner Frau macht er sich daran den neun Jahre ungebrochenen Stundenweltrekord im Bahnradfahren von Francesco Moser brechen zu wollen.

Unterhaltsam, stellenweise lustig und immer wieder auch bewegend, zeichnet Regisseur Douglas Mackinnon ein nie langweilig werdendes Portrait des schottischen Radrennfahrers und zweifachen Weltmeisters in der Einerverfolgung Graeme Obree, das einen die Radfahrer da draußen mit ganz anderen Augen betrachten lässt, und das ganz ohne Doping-Geschichten. Ohne besonderes Doping leidet der Film selbst nur auch leider an einer viel zu kleinen Aufmerksamkeit, während minderwertige Filme wie TRANSFORMERS marketingtechnisch gehyped die Zuschauermassen in Massen ins Kino locken werden.

Und so danke ich Men's Health für die Chance, den Film noch vorab gesehen haben zu können, und trage das im Kino ausgelegte, kostenlose Probe-Exemplar der Zeitschrift und manch zweideutigen Blick des ein oder anderen Mannes in der S-Bahn, auf Grund halb nackter auf Vorder- und Rückseite des Magazins sich räkelnder Männer-Models, mit Fassung, und lese - kein Witz - welches Fast-Food nicht dick macht, wie's auch mit dem Quicky klappt und welche Bratwürste im Geschmackstest am Besten abgeschnitten haben... aber nur die Überschriften, also stellt mir keine Fragen sondern <WERBUNG>kauft euch die Zeitschrift gefälligst selbst!</WERBUNG> ;-)

KO

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