THE CIDER HOUSE RULES

(Gottes Werk und Teufels Beitrag)

Regie: Lasse Hellstöm
Buch: John Irving
Start: 16. März 2000

John Irving. Irgendjemand hat mir irgendwann mal gesagt:"Lesen!" Das war ein Fehler. Monate - wenn nicht sogar Jahre - lang lag ich allen in den Ohren: "Lesen!". Ich habe zu meiner Verteidigung zu sagen, außer Peggy Sneed kenne ich keins seiner Frühwerke, ich habe erst mit Hotel New Hampshire angefangen. Ich weigere mich bis heute, seine befreiten Bären & Co. zu lesen. Ich will Irving in guter Erinnerung behalten. Er selbst warnt sogar vor Erstlingswerken - in Garp.

Meerblick
Wenn ich die See seh,
brauch ich kein Meer mehr.

*töff töff* Irving ist letztendlich schuld, daß ich vor Jahren freiwillig nach Amerika gereist bin. Mit Owen Meany und Cider House Rules im Koffer. Ich wollte alles selbst sehen, riechen, anfassen. Meine allerallerallererste Nacht in Amerika habe ich deshalb auch in Exeter, New Hampshire verbracht. Und zwar in dem Hotel in der Front Street (die gibt's wirklich!), das in Owen Meany als das "andere Backsteinhaus weiter die Straße runter" (oder so) bezeichnet wurde. Irving ist in Exeter aufgewachsen, in Owen Meany heißt Exeter Gravesend. Von Exeter aus habe ich meine Tour durch New England, Heimat von Edgar Allen Poe & Stephen King, gestartet. Immer auf der Suche nach Spuren seiner Bücher. So kam ich auch nach Maine mit seinen Apfelbäumen.

Wenn man einen Author so gerne mag, dann ist der Gang ins Kino eine Qual. Welche Literatur ist schon wirklich verfilmbar? Welche Träume werden zerstört? Mir graut schon vor THE BEACH. Will ich gar nicht sehen. Jede(r) den/die ich kenne, die/der das Buch - das beste in 1998 überhaupt - gelesen hat, entließ einen Schrei des Entsetzen bei der Bemerkung, die Hauptrolle sei mit Leonardo di Caprio besetzt. Frevel! Ich werde mir den Film natürlich trotzdem ansehen, und ich werde ihn hassen (aber nicht so sehr wie KILLER und der hat Garland noch nicht einmal gelesen)!

-ficken?     -nö!
King Kong und die weiße Frau (Charlize Theron).

Mit Irving ist das einfacher. Man kennt Verfilmungen seiner Bücher. Die weniger gelungene wie HOTEL NEW HAMPSHIRE - zu unverständlich für alle, die das Buch nicht gelesen haben; zu unvollständig für alle, die es gelesen haben. Besser gelungen war da schon THE WORLD ACCORDING TO GARP. Man hat gar nicht erst den Versuch gemacht, das Buch originalgetreu zu verfilmen. Die Geschichte wurde zurecht gebogen, und zwar so, daß sie Sinn machte und auf die Leinwand passte. Bei SIMON BIRCH - in Deutschland (noch) nie(cht) angelaufen - wurde dann allerdings soviel gebogen, daß der Film nicht mehr viel mit der Vorlage zu tun hatte und deswegen auch nicht Owen Meany genannt werden durfte.

Die Fehler von SIMON BIRCH sind bei CIDER HOUSE RULES wieder zurecht... gebogen. Nina hat sich beschwert, es würde zuviel fehlen. Hallo? Der Film hat so schon 2 Stunden gedauert, man kann eben nicht alles zeigen. Auch hier wurde die Geschichte, hm, gebogen. Na und? So hat der Film die Chance auf eigenen Füßen zu stehen. Und das tut er.


Good Night, Kings of New England,
Princes of Maine!

Umfangreiche Literatur mag vielleicht nicht verfilmbar ist, aber Irving bietet dankbare Vorlagen. Wahrscheinlich hat er schon bei der Erschaffung eines Buches das passende Drehbuch im Kopf (das kann er soviel abstreiten, wie er will!).

Irvings Bücher haben viele Schwerpunkte. Wer immer den Original Titel CIDER HOUSE RULES in GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG übersetzt hat, war der Meinung, der Schwerpunkt liege auf Abtreibungen. Aber auch der Original Titel führt in die Irre, weil es geht nicht primär um die Cider Produktion. Man lernt außerdem (im Buch) viel über Waisen, Geschlechtskrankheiten, Medizin- Geschichte, Limericks, Alzheimer, Apfelsorten, den Burma Krieg, Kaninchen, Homosexualität, etc. pp. Der Film macht den Kompriss und konzentriert sich auf die beiden Titel. Womit eigentlich schon alles über die Handlung gesagt wäre. Es geht um Abtreibung und um Äpfel.


Homer Wells (Tobey Maguire) sieht schwarz für Mr. Rose (Delroy Lindo).

Alles, was man über Äpfel lernt, ist unwichtig. Alles, was man im Buch über Abtreibung lernt, hat mich damals dazu bewegt, lauthals dafür zu plädieren, das Buch als Schul- Lektüre einzuführen. Man wird ausführlich über das Für und Wider der Thematik informiert. Jede Seite ist mit einem positiven Helden besetzt. Dadurch kann der Leser letztendlich ganz für sich allein ohne Manipulation seine eigene Position finden (auch wenn das Buch letztendlich Stellung bezieht). Der Film bietet diese Option der Selbstfindung leider nicht an. Umso mehr wundert es mich, daß dieser Film in Amerika (!) nicht für mehr Aufruhr gesorgt hat. Wahrscheinlich habe ich es nur mal wieder nicht mitbekommen. Immerhin: das Kinopublikum bestand zu 75% aus grauen Eminenzen.

Und das ist auch schon mein einziger Kritikpunkt. Wunderschöne Bilder von Maine, die meisten Charaktere absolut treffend besetzt, von den Krankenschwestern bis zu den Apfelpflückern. Ganz besonders das 4er Gespann Dr. Larch (Michael Caine), Homer Wells (Tobey Maguire), Candy (Charlize Theron) und Wally (Paul Rudd).

*himmel*
Im Vordergrund Dr. Larch (Michael Caine).
Ob er gerade an Gartenzäune denkt?
Im Hintergrund:
Schwester Angela (Kathy Baker).

Und die Geschichte so gebogen, daß sie auf die Leinwand paßt.

emma

Home

>> Soundtrack
>> Buch

Bildmaterial:
© Constantin Film