BAISE-MOI
             (fick' mich!)

Wer könnte dieser Aufforderung widerstehen?

Buch & Co-Regie: Virginie Despentes
Start: 16. November 2000

Es war eine schwere Entscheidung. Der Pressetermin von BAISE-MOI überschnitt sich mit einer IMAX- Vorstellung, bei welcher die Presse immer mit leckeren Brötchen verköstigt wird, während man sich ansonsten meist mit einem nicht sättigendem Getränk zufrieden geben muss. Die IMAX- Filme selbst sind dann natürlich meist dokumentarischer Natur und lahm, und ich fühle mich als kinokiller in der elitären Gesellschaft leicht unwohl (von den Brötchen essen sie aber alle!). Andererseits durfte ich auch von BAISE-MOI nicht gerade ein filmisches Meisterwerk erwarten.
Werner schließlich entschied: Sex geht vor Essen!
Zum Ausgleich ließ ich mir dann wenigstens ein Bier geben, auch wenn es erst 10:30 morgens war. Ein Fakt, der eine Kollegin alsobald zu laut kritischem Gelächter motivierte. Ob solche Leute auch mit hartem Gewalt- Sex in Spielfilmen zu provozieren sind?

Die Inhaltsangabe im Presseheft von BAISE-MOI beschränkt sich auf fünf(!) ganze Zeilen, zudem noch recht groß geschrieben. Der Rest, Ausschnitte aus französischen Zeitungen, Berichte über das Verbot des Films in Frankreich *), Interviews mit den beiden Regisseurinnen Virginie Despentes und Coralie Trinh Thi und selbst dort, wo sich ansonsten die Filmographie der Darsteller befindet, ein weiterer Hinweis, dieser Film wurde in Frankreich verboten. Ok, die beiden Hauptdarstellerinnen Raffaëla Anderson und Karen Bach haben bisher auch keine "renomierten" Filme vorzuweisen, Raffaëla seit ihrem 18. Lebensjahr im Porno- Business, Karen mit 23, und eine Auflistung ihrer Filme wäre dem journalistischen Leser mit Wiedererkennungs- Faktor womöglich zu nahe getreten.
Duo fatale
Nadine (Karen Bach) und Manu (Raffaëla Anderson),
zwei Mordsfrauen ohne Wertvorstellung.

*) Das mit dem weltweiten Vertrieb befasste Unternehmen "Wild Bunch": Unsere Verhandlungen über die Auswertung des Films in den USA sind sehr weit fortgeschritten, was ein bezeichnendes Licht auf die Rückschrittlichkeit des französischen Staates wirft, der ansonsten keine Gelegenheit auslässt, den Vereinigten Staaten übertriebenen Konservatismus und Prüderie vorzuwerfen.
Ich zartes Gemüt hätte BAISE-MOI ja schlicht mit "Küss' mich!" übersetzt, muss mich jedoch von meinem Pons- Wörterbuch aufklären lassen, daß der deutsche Untertitel durchaus auch als wörtliche Übersetzung angesehen werden kann, - ganz ohne Wortspiel in diesem Fall natürlich. BAISE-MOI, ein französischer Film, kein Wunder also, daß auch französisch geküsst wird.
Und so mussten die mittlerweile dem Etablissement entflohenen Hauptdarstellerinnen in BAISE-MOI nochmals eine Ausnahme machen und so manches schlucken.

Ja, in BAISE-MOI wird gefickt und Schwanz gelutscht und die Kamera hält drauf. Pornographisch sagen die einen, Kunst(?) die anderen. Nach der mir anerlehrnten Definition von Pornographie muss ich mich der ersten Meinung anschließen, ich bin natürlich aber nicht derjenige, der deswegen pikiert seinen moralischen Mittelfinger erhebt.
Meines Wissen hatte SAT.1 mit der Ausstrahlung irgendeines Lederhosen- Streifens mit angedeuteter Vergewaltigung seiner Zeit die ihnen auferlegten Grenzen überschritten. BAISE-MOI ist da um einiges expliziter in seiner Vergewaltigungs- Szene. Dennoch glaube ich, gerade die damaligen Moralapostel könnten hier von künstlerischer Notwendigkeit reden.
Ich bilde mir übrigens ein, viele Kollegen seinen diesmal absichtlich erst so spät gekommen, daß man sie im dunklen Kinosaal nicht erkennt, und andere angewidert schon bald wieder gegangen, - wahrscheinlich unter diesem Vorwand nur auf die Toilette.
Die ganze französische Revolution relativiert sich indessen, da es in Frankreich keinerlei FSK- Äquivalent von 18 Jahren gibt, ein Film ab 16 zugelassen werden muss oder verboten durch (De)- Klassifizierung als pornographisch. Da haben wir es mit unserer FSK-18 schon leichter.

Inhaltlich hat mich BAISE-MOI dann aber doch überrascht, hatte ich mit einem solchen doch nicht im Geringsten gerechnet. Die expliziten Sex- Szenen hätte man sich dazu selbstverständlich sparen können, und gerade die Vermischung von Sex und Gewalt lässt doch schnell glauben, man wolle sich die so erzeugte Negativ- Propaganda als kostenlose Werbung zu Nutze machen und sei in Frankreich nur fatalerweise übers Ziel hinausgeschossen. Letztendlich will die Geschichte natürlich schockieren und lässt einen dabei doch recht kalt, etwas zu unmotiviert und platt scheint die Gewalt im Road- Movie- Verschnitt nach Art von THELMA UND LOUISE (soviel zur Inhaltsangabe) an manchen Stellen, hat aber eben damit immer noch mehr zu erzählen, als so manche geistlose Hollywood- Produktion.
Und wenigstens hält BAISE-MOI den Ruf, der ihm voraus eilt, anders als ein zum Skandal- Sex- Steifen aufpoliertes 9 1/2 WOCHEN oder ein vollkommen lahmes EYES WIDE SHUT und zeigt, was die Leute erwarten: Sex!

Gerade wegen der Sex- Szenen freilich muss man BAISE-MOI sich dann aber vor allem nicht ansehen. Da ist es billiger, sich ein Porno- Video auszuleihen. Dann steht einem wenigstens... auch die im Kino fehlende Einzelkabine zur Verfügung.

suck this!

KO

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(recht eigenwillige Übersetzung)

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